Architektur-Team

AJN Ateliers Jean Nouvel & GIMM Gauer Itten Messerli Maria

Augenblick und Ewigkeit in metaphysischen Sphären 

Jean Nouvel ist in Fumel, Lot-et-Garonne, westlich von Bordeaux aufgewachsen – einem historischen Städtchen, dessen Abmessungen, Bevölkerungszahl und denkmalpflegerische Bedeutung in erstaunlichem Masse mit Murten übereinstimmen. Dies kann auch erklären, warum der französische Architekt gemeinsam mit seinen Schweizer Partnern GIMM Gauer Itten Messerli Maria diesen Standort und ein ganz aussergewöhnliches Konzept gewählt hat: Verzicht auf die von der Expo angedachte Plattform über Wasser, Verzicht auf eingezäunte Expo-Areale, Verzicht auf die Ausgrenzung der Altstadt von Murten und damit einhergehend der Verzicht auf Primärarchitektur. Dafür zollt Nouvel dem Ort in höchstem Masse seinen Respekt. Nicht der denkmalpflegerisch gereinigte, sondern der rätselhafte, mystische Geist des Ortes ist Nouvels Leitmotiv: Die Landschaft, die Altstadt als Juwel und die Magie des Wassers. Die konkreten Eingriffe beschränken sich auf Pavillons in Form von schlichten Zelten oder provozierend lakonischen Schiffscontainern, die in ihrer Abmessung zwar ideal zum Ortsbild passen, in ihrer unromantischen Materialität jedoch alle Gartenlaubenromantik an sich abprallen lassen. Als Ikone der Arteplage steht der gigantische rostige Kubus über dem Wasser im See. Der Genius loci wird im Falle von Murten dort beispielhaft wahrnehmbar, wo das Thema Augenblick und Ewigkeit die historische Stadtmauer selbst zur Ausstellung macht. 

Der Monolith und die archaischen Feuer auf dem See steigern den Zauber der Landschaft in die metaphysischen Toteninsel-Sphären des Deutschrömers Arnold Böcklin. Der Genius loci erfährt durch Nouvels Beifügungen und Interpretationen eine zweite und dritte Lesart zwischen Belagerung und Idealisierung, zwischen provisorischen Strukturen und überkonservierter historischer Bausubstanz. Die Verklärung und Hervorhebung der ortsspezifischen Charakteristik verwandeln Landschaft und Altstadt von Murten in eine Grossbühne, deren einzelne Höhepunkte sich gemeinsam mit den überraschenden Blickfängen dem Gesamtkunstwerk unterordnen. Die Besucherscharen bewegen sich frei und verbinden die heissen und kalten Zonen von Nouvels mystischer Dramaturgie.

Konzept, Architektur und Design
AJN Ateliers Jean Nouvel, Paris, Frankreich www,jeannouvel.com
Jean Nouvel (Projektverantwortlicher)
Frédérique Monjanel (Projektleiterin)
Eric Maria (Projektleiter)
Sébastien Abribat (Projektarchitekt)
Nicolaï Baehr (Projektarchitekt)
Anna Cavepayre (Projektarchitektin)
Thomas Corbasson (Projektarchitekt)
Jean-Louis Courtois (Modell)
Partner: GIMM Gauer Itten Messerli Maria (Neu: Gauer Itten Messerli Architekten AG) (Daniel Messerli), Bern www.gim.ch

Fotos: © AJN Ateliers Jean Nouvel