Herberge in Zugwagons

expo.sleeper

Ort
Neuchâtel

Betreiberin
Schweizerische Stiftung für Sozialtourismus (Schweizer Jugendherbergen), Zürich www.youthhostel.ch

Maximale Gästeanzahl
240

Angebot
Eine Übernachtung inkl. Frühstück CHF 30.00

Architektur
Bauart Architectes et Urbanistes SA (Peter C. Jakob, Emmanuel Rey, Yorick Ringeisen, Marco Ryter, Reto Sulzer, Ariane Wavre), Neuchâtel www.bauart.ch

Raum aus vorhandenen Elementen schaffen 

Das Konzept des expo.sleeper entstand während der Diskussionen im Anschluss an den Wettbewerb für die Erweiterung der Jugendherberge in Zermatt. Angesichts eines gewissen Mangels an preiswerten Übernachtungsmöglichkeiten für die Besucher der Expo.02 beschlossen die Schweizer Jugendherbergen und das Büro Bauart Architectes et Urbanistes SA, gemeinsam ein originelles Konzept für eine temporäre Jugendherberge zu entwickeln. Da diese Absicht nur sechs Wochen vor der Eröffnung der Landesausstellung entstand, wurde schnell klar, dass sie nur durch die Verwendung bereits bestehender Elemente verwirklicht werden konnte. Aus diesem Grund wurde ein Ansatz gewählt, der hauptsächlich auf der Installation von Eisenbahnwaggons auf stillgelegten Gleisen im Osten des Neuenburger Bahnhofsplateaus beruhte. Nach der Analyse der verschiedenen funktionalen Anforderungen, die für jede Jugendherberge typisch sind, wurden verschiedene Elemente zusammengestellt, die das endgültige Projekt bildeten:

  • vier Liegewagen (gemietet von der Deutschen Bahn) mit 240 Übernachtungsplätzen
  • ein Güterwaggon (von der SBB gemietet), der die Rezeption beherbergt
  • sechs Modul-Container, in denen die Nebeneinrichtungen (Sanitäranlagen, Küche) untergebracht sind
  • ein Zwischenboden, der als Gemeinschaftsraum dient (Spielbereich, Speisesaal usw.)
  • eine Festzeltkonstruktion, von der nur das Dach aufgesetzt wurde, um Schutz vor Regen und Sonne zu bieten
  • ein mit Stoff bespanntes Gerüst, um ein Eingangsportal (Beschilderung) zu schaffen

Der Ansatz konkretisiert somit das sogenannte Precycling, d.h. die Einbeziehung von Überlegungen zur späteren Verwendung der Materialien (nach dem Abbau oder Abriss des Gebäudes) bereits in die Projektplanung. Die meisten der verwendeten Elemente existierten nämlich bereits vorher und werden anschließend wieder ihrer üblichen Funktion zugeführt. Das Experiment expo.sleeper stellte also gewissermaßen ein Intermezzo in ihrem Lebenszyklus dar. Das Projekt baute auch auf einigen bereits vorhandenen Infrastrukturen auf und nutzte Einrichtungen, die mit der früheren handwerklichen Nutzung des Geländes zusammenhingen. So konnten die Anschlüsse auf einfache Weise in bestehenden Leitungen verlegt werden und der Kran, der die Bahngleise überspannt, konnte in die allgemeine Beschilderung der Jugendherberge integriert werden. Nur die Holzteile, d.h. der Boden zwischen den Waggons und die Einhausung auf der Gleisseite, wurden speziell für das Projekt angefertigt. Sie wurden anschließend vollständig recycelt, hauptsächlich als Paneele für Bauzäune.

Zwischen Poesie und Pragmatismus

Die Planung und Durchführung des Projekts war stark von der Zeit geprägt, die sich in der Dauer der einzelnen Phasen widerspiegelt: sechs Wochen Vorbereitung (Planung und Durchführung), sechs Monate Betrieb und sechs Tage Abbau. Die Aufbauphase, die von der ersten Skizze bis zur Eröffnung dauerte, war besonders anregend, was die konzeptionelle Erfahrung betraf. Das gewählte Konzept und die Anforderungen, die sich aus der extremen Schnelligkeit ergaben, die durch die Nähe zur Eröffnung der Landesausstellung bedingt war, kehrten die Prioritäten im Vergleich zu einem eher klassischen Projekt in gewisser Weise um. Es ging nicht darum, ein massgeschneidertes Gerät zu entwerfen, das die idealen ästhetischen Proportionen oder spezifische technische Merkmale berücksichtigt, sondern pragmatischer Weise darum, für jeden Bedarf ein ähnliches, bereits vorhandenes Gerät zu finden, das mit den bereits ausgewählten Geräten harmoniert und es ermöglicht, das Budget innerhalb des vorgegebenen Rahmens zu halten.

Eine Bilanz mit vielen Facetten

Die Betriebsbilanz ist insgesamt sehr positiv, da der expo.sleeper ein echter Erfolg in Bezug auf die Besucherzahlen war. Die Auslastung betrug fast 70% der Gesamtkapazität, was etwa 25’000 Übernachtungen während der sechsmonatigen Betriebszeit entspricht. Dank dieser Besucherzahlen konnte ein zufriedenstellendes Gleichgewicht zwischen den investierten Kosten und den Einnahmen erreicht werden, wobei der Preis pro Übernachtung auf einem besonders niedrigen Niveau gehalten werden konnte. Das Projekt hat zudem dazu beigetragen, die Schweizer Jugendherbergen einem breiteren Publikum bekannt zu machen, das nicht unbedingt mit der jüngsten Entwicklung dieser Art von Unterkunft vertraut ist (Aufnahme von Jugendlichen und Studentengruppen, aber auch von Familien). In diesem Sinne wurde das Projekt expo.sleeper übrigens mit einer Nominierung für den Schweizer Tourismuspreis Milestone 2002 gewürdigt.

Gleichzeitig wurde das Projekt auch in ökologischer Hinsicht hervorgehoben, indem es das Umweltzeichen Flying Fish erhielt, das Projekte auszeichnet, die sich bei der Landesausstellung als umweltfreundlich erwiesen haben. Diese Auszeichnung unterstreicht, dass die Integration der nachhaltigen Entwicklung in den Projektprozess nicht unbedingt den Einsatz ausgeklügelter technischer Systeme erfordert, sondern vielmehr die richtige Abstimmung zwischen den zu deckenden Bedürfnissen und den eingesetzten Mitteln. Dieser Aspekt gilt als einer der vielversprechendsten Ansätze für die Erforschung des temporären Bauens.

Textauszüge von Bauart Architectes et Urbanistes SA, Neuchâtel (Marco Ryter & Emmanuel Rey)
Fotos: © Bauart Architectes et Urbanistes SA, Neuchâtel; © André Noël Pot